Forschung und Projekte
Das redaktionelle politische Klassenzimmer (RePoKla). Digitale News Literacy zwischen journalistischen Standards und Online-Nachrichtennutzung
(Projekt aus Eigenmitteln)Laufzeit: seit 1. November 2023Erkenntnisinteresse:
Demokratische Gesellschaften sind von zunehmender Reichweite und vom wachsenden Einfluss wissenschaftlicher Expertise geprägt. Dies kann sowohl zu begründeten politischen Entscheidungen als auch zu politischen Instrumentalisierungen von Wissenschaften führen. Informationsintermediäre wie Social Media stehen dabei im Zentrum gesellschaftstheoretischer Reflexionen. Einschätzen zu können, was als valides sozialwissenschaftliches Wissen gilt und was nicht, kann als eine zentrale Kompetenz digitaler Transformation erachtet werden.
Im Unterricht gilt es zu reflektieren, inwiefern sich die Auswahl vertrauenswürdiger Informationen auf die Schultern des einzelnen verlagert: Wie können Schüler*innen wissenschaftliche Pluralität erkunden und Kuratieren als situative Kontrolle und stetige Re-Integration valider Informationen lernen?
Ziel ist es, Vorstellungen von Schüler*innen zu News Literacy (im sozialwissenschaftlichen Lernfeld) zu rekonstruieren. Fokussiert werden dazu Lehr-Lernprozesse, in denen Schüler*innen im Internet recherchieren. Denn in Internetrecherchen entwickeln sie implizite Vorstellungen, mit sozialwissenschaftlichen Inhalten, Arbeits- und Erkenntnisweisen sowie journalistischen Standards umzugehen. Weiterentwickelt werden soll auf dieser Grundlage das fachdidaktische Prinzip der Wissenschaftsorientierung, zu dem insbesondere in der Primarstufe und Sekundarstufe I empirische Forschung fehlt. Mittelfristiges Ziel ist die Entwicklung eines Kompetenzmodells zur digitalen Wissenschaftsdidaktik der Sozialwissenschaften.
International vergleichende Perspektiven zu digitalen Fachkulturen zur Kinder- und Menschenrechtsbildung in Europa
(Projekt aus Eigenmitteln)Laufzeit: seit 1. November 2023Erkenntnisinteresse:
Menschenrechtsbildung versucht ein Verständnis von Menschenrechten als „struggle concepts“ zu entwickeln: Gefördert werden soll eine Fragehaltung, mit der Kinder- und Menschenrechte in ihrer reformerischen politischen Natur als unabgeschlossen und erweiterungsbedürftig entdeckt, aber immer schon als politisches Projekt unter nicht idealen Verhältnissen verstanden werden können.
Aus der international vergleichenden Human Rights Education geht hervor, dass junge Menschen in der Schule vor allem lebensweltlich orientierte Fragehaltungen entwickeln und politische oder ökonomische Dimensionen nebensächlich sind. Offen ist dabei die Frage, wie Lehrer*innen didaktisch Kinder- und Menschrechtsbildung digital modellieren, um mit junge Menschen Fragehaltungen zum Thema zu entwickeln.
Ziel ist es, international-vergleichend digitale kinder- und menschenrechtsorientierte Lernumgebungen im Fachunterricht zu rekonstruieren. Dazu soll der curriculare Erstkontakt mit dem Themenfeld fokussiert werden, um fachdidaktische Strategien in verschiedenen Fächern zur Entwicklung von Fragehaltungen bei jungen Menschen zu analysieren. Im internationalen Vergleich soll sichtbar werden, inwiefern lebensweltliche Fragehaltungen thematisch transnational erweitert werden und Mehrfachzugehörigkeiten konzeptionell eröffnen. Mittelfristig sollen „Good-Practice“-Beispiele der internationalen Kinder- und Menschenrechtsbildung so als Baustein zur Weiterentwicklung einer sog. „Europa-Didaktik“ und Democratic Citizenship Education konzeptualisiert werden.
NEWS LITERACY – eine fachspezifische Aufgabe im Lernfeld Politik und Gesellschaft. Lehrkräftefortbildung zur Entwicklung performativen Nachrichtenbewusstseins
(Drittmittelfinanzierte Gruppenförderung – Teilprojekt)Titel des Gesamtprojektes: Digitale Souveränität als Ziel wegweisender Lehrer:innenbildung für Sprachen, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften in der digitalen Welt (DiSo-SGW)
Laufzeit: 1. Juni 2023 - 31. Dezember 2025
Mittelgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
URL: https://lernen.digital/verbuende/diso-sgw/Ziel des Projekts ist es Politiklehrer*innen zur Gestaltung digitaler Lernumgebungen anzuleiten, in denen Schüler*innen eine sozialwissenschaftlich reflexiv-souveräne Haltung zur digital veränderten Nachrichtennutzung entwickeln können. Internetrecherchen sind als Bestandteil schulischer Lernkulturen dazu von besonderem Interesse, um die Qualität heterogener Nachrichtenbeiträge bzw. digitaler Texte situativ bewerten zu lernen: Wie können Schüler*innen anwendungs- und reflexionsbezogen Strategien entwickeln, Recherche-Phänomenen wie algorithmisierter politischer Desinformation souverän zu begegnen?
Die Fortbildungsmodule fokussieren dazu vier fachdidaktische Aufgabenfelder: (i) Informationsintermediäre als Lerngegenstand, um digitale Veränderungen des Verhältnisses Politik–Medien politisch deuten zu lernen (Torrau 2020a), (ii) anwendungsbezogene De- und Prebunking-Recherchestrategien mit dem fachspezifischen Schwerpunkt sozialwissenschaftlicher Multiparadigmizität (Torrau 2021), (iii) epistemische Kompetenz zur Förderung von Medienkritik und einer demokratischen Haltung des selbstverständlichen Zweifels (Torrau 2020b) sowie (iv) Kuratierungskompetenz, um digitalen Wandel mitzugestalten (Torrau/Gloe 2021).
Die Begleitforschung fokussiert die Rekonstruktion wissenschaftsdidaktischer Vorstellungen von Lehrer*innen im Lernfeld Gesellschaft. Mittelfristiges Ziel ist die Weiterentwicklung des Prinzips Wissenschaftsorientierung als Baustein digitaler Grundbildung.
Literatur
Torrau, Sören (2020a): „Und dann google ich…“ Recherchestrategien von Schüler*innen im Internet. In: GWP 2/2020, S. 235-245.
--- (2020b): Exploring teaching and learning about the Corona crisis in social studies webinars – a case study. In: Journal of Social Science Education. Special Issue, S. 15-29.
--- (2021): Recherchieren im digitalen Wandel. Schülerhandlungen in algorithmisierten Strukturen. In: Maurer, Christian u.a. (Hrsg.): Fachliche Bildung und digitale Transformation. Regensburg. S. 68-71.
Torrau, Sören; Gloe Markus (2021): „Es sind nun mal leider keine Klimaaktivisten, die das Land führen‘. Ungewissheit als Schüler*innenkategorie zu globalen Problemen. In: Religionspädagogische Beiträge. 2/2021, S. 127-139.
Demokratiebildung im Jugendalter (Kompetenznetzwerk / DKJS)
(Drittmittelfinanzierte Einzelförderung)Laufzeit: 1. November 2020 - 31. Oktober 2021
Mittelgeber: andere FörderorganisationWissenschaftliche Begleitforschung: Programm „Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Jugendalter“
Wie können Pädagog*innen dazu beitragen, die gesellschaftlichen und politischen Ideen Heranwachsender zu unterstützen? Wie kann sozialwissenschaftliches Lernen in Kooperation von Schule und außerschulischen Trägern gestaltet werden? Wie kann die Schule ein Ort gelebter demokratischer Mitbestimmung im lokalen Nahraum sein?Die Analyse kooperativer Demokratiebildungsprojekte ist ein wichtiger Zugang, um diese Fragen zu thematisieren: Projekte entwickeln sich aus Aufgaben, die aus lebensweltlichen und herausfordernden Problemen resultieren. Sie versetzen Kinder und Jugendliche aktiv in eine aufgabenbezogene und handlungsfordernde Situation, in der sie gestalten, Probleme lösen, forschen und Entscheidungen finden können. Dabei steht ihnen die Möglichkeit offen, über längere Zeiträume vergleichsweise selbstständig und kooperativ zu arbeiten und dabei eigene Vorstellungen zur Entwicklung des gesellschaftlichen und politischen Miteinanders umzusetzen. Idealerweise erfahren sich Kinder und Jugendliche dabei als selbstwirksam. Dieses lernwirksame Ideal kann durch eine kooperative Projektgestaltung im Zusammenwirken von schulischen und außerschulischen Akteure unterstützt und verstärkt werden.
Ziel ist es, Lernen und Bildungserfahrungen sowie Bildungsgänge von Jugendlichen in kooperativen Projekten zu rekonstruieren. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stehen demokratiebildsame und dem demokratischen Engagement und Handeln förderliche Lernprozesse. Grundlage hierfür sind die Einstellungen, Einschätzungen und Sichtweisen der an den Projekten beteiligten Jugendlichen, die in diesen Projekten die für sie bedeutsamen Lerninhalte, Ziele und Lernwege immer schon mit konstituieren.
Die Ergebnisse finden Sie im Abschlussbericht: https://www.dkjs.de/aktuell/meldung/news/wie-gute-demokratiebildung-fuer-junge-menschen-gelingt/
“ICH HABE, WENN ICH ÜBER DEMOKRATIE NACHDENKE, DIREKT SO EIN BILD IM KOPF” METAPHERN UND DAS DEMOKRATISCHE IMAGINÄRE IM DENKEN VON SCHÜLER:INNEN (Dissertationsprojekt)
(Projekt aus Eigenmitteln)Laufzeit: seit 1. April 2020„Das Haus oder die Demokratie beschützen“ (Christian, 12. Klasse Gymnasium) oder „Demokratie durchzusetzen“ (Raphael, 7. Klasse Gesamtschule) – Diese beispielhaften Aussagen aus Schüler:inneninterviews zeigen: Metaphern sind in unserem alltäglichen Sprachgebrauch und damit auch in (sozialwissenschaftlichen) Bildungskontexten allgegenwärtig (vgl. Lakoff & Johnson 2018). Sie erweisen sich für die sozialwissenschaftlich-fachdidaktische Forschung insofern als relevant, als sich in Metaphern ein demokratisches Imaginäres (vgl. Trautmann 2020) artikuliert und figuriert: „Bürger_innen bilden ihr demokratisches Weltverhältnis nicht auf einer theoretisch-begrifflichen Folie aus, sondern in einem imaginären Dispositiv.“ (Friedrichs 2021, 169; Herv. i O.)
In welchen sprachlichen Bildern sprechen Schüler:innen also über Demokratie? Wie denken und erfahren Schüler:innen metaphorisch Demokratie? Inwiefern nehmen sie sich selbst als „Subjekte der Demokratie“ (Henkenborg 2013, 107) wahr? Dazu werden im Rahmen des Dissertationsprojekts qualitative Leitfadeninterviews mit Schüler:innen ab der 5. Jahrgangsstufe geführt und mittels der Methode der Metaphernanalyse (Schmitt 2017) ausgewertet. Sie eignet sich als Instrument, sich jenen geteilten Bildern und Vorstellungen, die das Verständnis von Demokratie begründen, anzunähern (vgl. Pfaller 2022, 56).